Arbeitszeiterfassung

Arbeitszeiterfassung für Lehrer: 100 % Pflicht oder nicht?

Lehrkräfte arbeiten nur vormittags und haben viel freie (Ferien)Zeit? Mitnichten! Lehrer arbeiten viel mehr als sie müssten. Und wie steht es mit der Arbeitszeiterfassung für Lehrer? Wer sich sträubt und wer sie unbedingt möchte, lesen Sie im Blog.
Arbeitszeiterfassung für Lehrer - Pflicht oder nicht?

Im Jahr 2019 erging das sogenannte Stechuhr-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das besagt, dass die Mitgliedsstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein objektives und verlässliches System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen. Das EuGH-Urteil legte jedoch keinen zeitlichen Rahmen für die Umsetzung dieser Pflicht zur Arbeitszeiterfassung fest.

Erst im September 2022 konkretisierte das Bundesarbeitsgericht (BAG) das europäische Urteil für Deutschland. Seitdem steht fest: Die Einführung der Arbeitszeiterfassung ist Pflicht! Aber: Gilt die Pflicht auch für Lehrer*?

Wie viele Stunden arbeiten Lehrer?

Mark Rackles, ehemaliger Staatssekretär für Bildung und Vizechef der SPD in Berlin, hat den Kultusministerinnen und Kultusministern vorgeworfen, dass sie „kein großes Interesse“ an einer Erfassung der tatsächlichen Arbeitszeit von Lehrern haben. Dies wäre aber notwendig, um aufzuzeigen, dass Lehrer in aller Regel mehr arbeiten als tariflich vorgesehen. Das Problem: Das Arbeitsorganisationsmodell an Schulen basiert auf einem überholten System aus dem 19. Jahrhundert, das nie an die Anforderungen der modernen Pädagogik angepasst wurde. Das System legt lediglich die Anzahl der Unterrichtsstunden pro Woche fest, die eine Lehrkraft zu erteilen hat. Alle weiteren Aufgaben – wie etwa Unterrichtsvor- und Nachbereitung, Korrekturen, Elterngespräche – bleiben unklar und hängen von der individuellen Arbeitswahrnehmung der Lehrer ab. Praktisch bedeutet dies, dass Lehrer in den Unterrichtswochen im Durchschnitt auf eine Arbeitszeit von rund 47 Stunden kommen – mindestens!

Im internationalen Vergleich arbeiten Lehrer in Deutschland viele Stunden, haben jedoch geringere Unterrichtszeiten. Rackles stellt fest, dass das deutsche Arbeitszeitmodell für Lehrer nicht nur Überlastung fördert, sondern auch ineffizient ist. Die größten Belastungsfaktoren liegen im bürokratischen Aufwand und der Datenerfassung. Aufgaben, die in anderen Ländern von Assistenzlehrkräften oder Studierenden übernommen würden.

Das Bundesarbeitsgericht hat im September 2022 entschieden, dass Angestellte in Deutschland ihre gesamte (!) Arbeitszeit aufzeichnen müssen. Im Schuldienst hat sich in dieser Hinsicht seitdem jedoch sehr wenig bis gar nichts getan. Rackles bezweifelt, dass die von der Kultusministerkonferenz gebildete Arbeitsgruppe wenig Interesse daran hat, das Thema Arbeitszeiterfassung für Lehrer anzugehen. Warum? Bei einer Aufzeichnung der tatsächlichen Arbeitszeit von Lehrern würde deutlich, dass bis zu 30.000 zusätzliche Lehrer benötigt werden, was wiederum den bereits bestehenden Lehrermangel noch einmal verschärfen würde.

In seinem Gutachten für die Telekom Stiftung skizziert Rackles eine Alternative zum aktuellen Arbeitszeitmodell für Lehrer. Er schlägt vor, die „Jahresarbeitszeit als Bemessungsgrundlage“ zu verwenden, um alle Arbeitsstunden und nicht nur die auf den Unterricht bezogenen Pflichtstunden zu erfassen. Die Zuweisung von Arbeitszeit solle sich an der Arbeitslast der Fächer und Schulstufen orientieren – nicht wie bisher an der Schulart. Eine Reform dahingehend sei unumgänglich, um den Lehrerberuf wieder attraktiv für Berufseinsteiger zu machen und um motivierte Lehrkräfte zur Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit zu ermutigen.

Gilt die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung auch für Lehrer?

Kurz und knapp: Grundsätzlich ja! Denn die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gilt in Deutschland unabhängig von der Tätigkeit oder Branche. Ausnahmen bestehen zwar für bestimmte Positionen (leitende Angestellte oder Geschäftsführer), jedoch urteilte das BAG, dass grundsätzlich die Arbeitszeit erfasst werden muss. Grundlage hierfür bildet das Arbeitsschutzgesetz. Alle Arbeitgeber sind also verpflichtet, ein System zur Zeiterfassung einzurichten und zu nutzen.

Diese Pflicht zur Arbeitszeiterfassung betrifft demnach auch Lehrer, Beamte und Angehörige der Wissenschaft, obwohl das BAG keine genauen Angaben macht, wie die Arbeitszeiterfassung durchgeführt werden muss. Die genaue Ausgestaltung obliegt dem Gesetzgeber. Ein erster Referentenentwurf des Arbeitsministeriums liegt seit April 2023 vor, ist bisher jedoch nicht umgesetzt worden. Klar ist jedoch eines: Der Arbeitsalltag von Lehrern beinhaltet unterschiedliche Arbeitsorte und vielfältige Aufgaben, sodass eine besonders flexible Lösung zur Zeiterfassung nötig ist. Digitale Zeiterfassungssysteme wie ZEP bieten hier eine gute Option. Sie ermöglichen eine flexible Erfassung der Arbeitszeit über verschiedene Kanäle wie Browser oder App, was eine ortsunabhängige Dokumentation ermöglicht.

Die Regelung der Arbeitszeiterfassung für Lehrer trifft bei einigen Beteiligten, in besonderem Maße bei den Kultusministerien der Länder, auf harsche Kritik.

Kultusministerkonferenz fordert Ausnahmen bei Arbeitszeiterfassung für Lehrer

Nach der Veröffentlichung des Referentenentwurfs des BMAS wurde deutlich, dass es keine spezifischen Ausnahmeregelungen für Lehrer und Wissenschaftler geben soll. In Reaktion darauf schrieb Berlins Bildungssenatorin und Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) Katharina Günther-Wünsch einen Brief an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, in dem sie auf gesetzliche Sonderregelungen für Lehrer und Wissenschaftler drängte.

Sie bemängelte in ihrem Schreiben, dass der aktuelle Entwurf die „besondere Situation der Lehrkräfte“ nicht angemessen berücksichtige. Deren Arbeitszeiten seien nicht oder nur teilweise messbar, insbesondere in Hinblick auf außerunterrichtliche Tätigkeiten. Diese Arbeitszeiten könnten weder im Vorfeld prognostiziert noch vom Dienstherrn kontrolliert werden. Im Berufsbild der Lehrkraft sei verankert, Aufgaben eigenverantwortlich und selbstständig zu erfüllen. Aber: Warum sollten diese Zeiten nicht ebenso erfasst werden? Mit einer geeigneten Software zur Arbeitszeiterfassung können auch Lehrer im Homeoffice (so wie viele andere Angestellte in Remote Arbeit) ihre Arbeitszeiten erfassen. Dies geht der KMK nicht weit genug.

Arbeitszeiten ortsunabhängig erfassen

Günther-Wünsch führte weiter an, dass die geplante Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nur für tarifbeschäftigte Lehrer gelten würde, was ihrer Meinung nach die Flexibilität der Arbeitseinteilung des Lehrerberufs einschränken würde. Was hat das Bundesarbeitsministerium auf das Schreiben der KMK geantwortet? Nach Auffassung des BMAS könne es keine grundsätzlichen Ausnahmen bei der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für Lehrer geben. Auch Beamte seien von dieser Pflicht nicht ausgenommen. Denn: Der europäische Arbeitnehmerbegriff schließe auch Beamte mit ein, ergo sind die Urteile von EuGH und BAG ebenso für verbeamtete Lehrer anwendbar.

Die Forderung nach einer Ausnahmevorschrift wurde vom BMAS abgelehnt. Das Ministerium erklärte, die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes zu Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten seien bereits für Arbeitnehmer in Schulen und Hochschulen einzuhalten und würden durch die Arbeitszeiterfassung für Lehrer nicht verändert.

So reagieren Lehrer(verbände)

Bei aller Diskussion um die Arbeitszeiterfassung für Lehrer trifft man häufig nur auf Stimmen aus der Politik. Aber: Was denken eigentlich die Lehrer? In Berlin hat zum Schuljahr 2023/24 bereits eine einjährige Studie gestartet, bei der tausende Lehrkräfte ihre Arbeitsstunden minutengenau erfassen. Hamburg plant ähnliches. Das Land Sachsen plant sogar, ab August 2024 die Arbeitszeiterfassung für Lehrer in allen Schularten einzuführen, um zu klären, wie hoch die wöchentliche Arbeitsbelastung tatsächlich ist.

Laut Philologenverband Baden-Württemberg wollen die Lehrer „…, dass die Arbeitszeit der Lehrkräfte endlich mal zuverlässig erfasst wird“, so der Vorsitzende Ralf Scholl. Es ist bekannt, dass Lehrkräfte im Land durchschnittlich deutlich mehr als die jährlichen 1804 Beamtenstunden arbeiten. Bei Teilzeitkräften verschärft sich die Situation aufgrund verpflichtender Zusatztermine wie Konferenzen. Es besteht Unklarheit darüber, was zur Arbeitszeit eines Lehrers gehört, insbesondere in Bezug auf Tätigkeiten wie Klausurkorrekturen oder Vorbereitungen.

Zwei Lehrkräfte aus Baden-Württemberg haben, unterstützt vom Philologenverband (PhV), Klagen auf Arbeitszeiterfassung für Lehrer vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht. Trotz der von mehreren Gerichten festgestellten Pflicht zur Arbeitszeiterfassung existiert bisher in keinem deutschen Bundesland ein solches System für Lehrer. Der Grund für die Klage liegt auch darin, dass die durchschnittliche Arbeitszeit von Lehrkräften weit über den jährlichen 1804 Stunden für Beamte liegt. Die klagenden Lehrkräfte, eine Lehrerin und ein Lehrer aus dem Regierungsbezirk Stuttgart, hatten über Jahre hinweg ihre tatsächliche Arbeitszeit erfasst. Als Landesbeamte mit einer 41-Stunden-Woche und der Verpflichtung, gut 1800 Stunden im Jahr zu arbeiten, hatten beide jedoch mehr als 2000 Stunden erfasst. Die Klage bezieht sich auf diese Überstunden sowie auf zahlreiche Studien zur Arbeitszeit von Lehrkräften. Diese zeigen regelmäßig, dass Lehrer im Durchschnitt mehr arbeiten als vorgesehen, ohne jedoch einen Ausgleich für Überstunden zu erhalten.

Die Chancen für einen gerichtlichen Erfolg stehen gut. Denn: Auch ohne ein neues Gesetz zur Arbeitszeiterfassung für Lehrer, gilt das Grundsatzurteil zur Zeiterfassungspflicht des BAG. Sofern die Bundesregierung dieses Thema weiter so schleppend wie bisher behandelt, könnten weitere Klagen folgen.

Arbeitszeiterfassung für Lehrer: Softwares & Apps helfen

Die Einführung einer Arbeitszeiterfassung für Lehrer könnte möglicherweise einen Perspektivwechsel in Bezug auf das Arbeitszeitmodell generell bewirken. Die Erfassung der tatsächlichen Arbeitszeit, also der Ist-Arbeitszeit, erfordert einen Vergleich mit der Soll-Arbeitszeit. Das aktuell verwendete Modell vergütet Lehrkräfte ausschließlich nach den geleisteten Unterrichtsstunden. Die Zeiten für Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Unterricht (Vorbereitung, Nachbereitung, Korrekturen) sowie anderen Aufgaben (Elterngespräche) bleiben im aktuellen Modell nur vage definiert. Wenn Arbeitgeber aber dazu verpflichtet sind, 100 Prozent der Arbeitszeit zu erfassen und somit auch 100 Prozent der Arbeitszeit mit den Soll-Arbeitszeiten abzugleichen, erweist sich das aktuelle Stundenmodell für Lehrer möglicherweise schnell als unzureichend. Letztendlich könnte die verpflichtende Arbeitszeiterfassung für Lehrer dazu beitragen, Transparenz zu schaffen und eine Diskussion darüber anstoßen, welche Tätigkeiten tatsächlich von Lehrkräften übernommen werden.

Das mag auf den ersten Blick wie eine bürokratische Maßnahme erscheinen, aber bei genauerer Betrachtung eröffnen sich zahlreiche Vorteile, die zu einer effizienteren Arbeitsweise und vor allem zu einer besseren Work-Life-Balance für Pädagogen führen können. Grundvoraussetzung: Alle Beteiligten – Lehrer, Schulen und die Politik in Form der Kultusministerien – müssen offen für die Arbeitszeiterfassung für Lehrer sein. Mit den richtigen Tools kann auch ortsunabhängig „gestempelt“ werden. Mit ZEP können Lehrer ihre Ist-Arbeitszeit detailliert aufzeichnen – am Computer oder per App. Außerdem bietet das die Möglichkeit, für jeden Lehrer ein eigenes Überstundenkonto anzulegen und somit genau im Blick zu behalten, wer wie lange gearbeitet hat.

Eine Software wie ZEP bietet aber nicht nur den Lehrern diverse Vorteile. Auch die Schulverwaltungen profitieren, denn die Daten aus ZEP ermöglichen eine präzise Ressourcenplanung, um Engpässe möglichst zu vermeiden und die Arbeitslast gerecht zu verteilen. Ein effizientes Schulmanagement kann die Arbeitsbedingungen verbessern und die Zufriedenheit der Lehrkräfte steigern.

Tanja Hartmann ZEP

Tanja Hartmann

Content Marketing Managerin bei ZEP

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